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    Sie möchten beim nächsten Seminar dabei sein? Sie haben ein Erfolgsrezept für typische Herausforderungen bei der Beweidung am Fluss, das wir kennen sollten? Melden Sie sich doch einfach bei uns!

    Klimaschutz am Fluss – Das Beispiel der Lippe Renaturierung

    Referent: Ulrich Detering (Dezernat für Wasserwirtschaft der Bezirksregierung Arnsberg)

    Wirtschaftlichkeit extensiver Beweidung: ein Fallbeispiel

    Referent*innen: Dr. Regina Ostermann (Geschäftsführerin des Landschaftserhaltungsverbands Ortenauskreis e.V.) und Jochen Paleit (Bürgermeister Kappel-Grafenhausen)  

    Wir haben die Fragen aus der Diskussion und die Antworten von Dr. Regina Ostermann und Jochen Paleit hier zum Nachlesen zusammengestellt:

    Fragen und Antworten

    Sind die Zahlungen für den Landwirt ausreichend bzw. schreibt er wenigstens schwarze Zahlen?
    Frau Ostermann: Es ist aus seiner Sicht ein Nullsummenspiel. Das erreicht er auch nur mit den finanziellen Förderungen aus der ersten und der zweiten Säule.

    Was wäre eine angemessene Förderhöhe aus ihrer Sicht, welche die Situation der Landwirte verbessern würde? Was muss getan werden, um Wilde Weiden als alternative Bewirtschaftungsform für die Landwirte lukrativer zu machen?
    Herr Paleit: Eine konkrete Zahl kann ich nicht nennen. Sicherlich wünschen wir uns alle eine gerechte Entlohnung für den Bewirtschafter. Aber das Geld ist das eine, das andere sind die vielen bürokratischen Hemmnisse. Für die Zukunft der Wilden Weiden ist es immens wichtig Verwaltungsstrukturen und vorschriften zu vereinfachen. Hier müssen wir seitens der Politik und des Naturschutzes lenkend eingreifen, um den Landwirten das überhaupt zu ermöglichen. Es ist erschreckend was wir tun und machen mit aller politischer Kraft nur um 30 Rinder und Pferde auf 100 ha rumlaufen zulassen. Was wir dadurch an Verwaltungskosten produzieren muss wohl gigantisch sein. Angenommen dieses Geld würde auf Wilde Weiden verteilt werden, dann könnte man als Landwirt damit reich werden.

    Wie viel Geld bekommt der Landwirt pro geschlachtetes Rind?
    Frau Ostermann: Er bekommt für das Tier einen Kilopreis Lebendgewicht und damit ist Schlachtung, Zerlegung und Vermarktung vollständig abgegolten. Er bekommt jedenfalls deutlich mehr als für ein handelsübliches Rind. Aus privatrechtlichen Gründen darf ich den Preis nicht nennen.

    Wie war es möglich den Wald mit in die Weide zu integrieren? Wie wird der Landwirt für die Bewirtschaftung der Waldweide entlohnt?
    Herr Paleit: Es ist wichtig das Gesamtprojekt in zwei Teile zu trennen. Zum einen in die Waldweide, zum anderen die offenen Flächen (Offenland). Für das Offenland legte ja bereits Frau Ostermann die laufenden Förderinstrumente dar. Für die Waldweide haben wir eine eigene Schonwaldverordnung gemacht, da es in Baden-Württemberg verboten war und ist, Weidetiere in den Wald zu treiben. Diese wurde vom Regierungspräsidium Freiburg genehmigt. Somit haben wir, und das ist wohl auch einmalig in der Region, 70 ha Waldweide geschaffen. Auf dieser Fläche produziert die Gemeinde Kappel-Grafenhausen Ökopunkte über den Waldumbau hin zu einem lichten Auwald. Über den Verkauf der Ökopunkte finanzieren wir u.a. die Dienstleistung des Landwirts.

    Besteht die Gefahr von Cross Compliance Verstößen für den Landwirt? Kann es bei Direktzahlungen zu Sanktionen/Kürzungen kommen?
    Herr Paleit: Das ist ein heikles Thema für den Landwirt. Natürlich kann es dazu kommen. Deshalb kümmert sich die Gemeinde um die tierärztliche Versorgung der Pferde. Das machen wir, um den Landwirt vor Cross Compliance zu schützen.
    Frau Ostermann: Wir haben auch mit Sukzession zu kämpfen. Beispielsweise samt sich die Schwarzerle vermehrt im Offenland an und wächst gut, da sie schlecht verbissen wird. Außerdem haben wir einen ehemaligen Acker in der Weide worauf sich jetzt Binsen etablieren, weil wir natürliche Sukzession haben wollen. Für diese Flächen erhält der Landwirt keine Direktzahlung mehr. Es ist ein Spagat, da zum einen Sukzession aus ökologischer Sicht zugelassen wird und zum anderen dem Landwirt keine ökonomischen Einbußen beschert werden sollen.

    Wofür steht die Marke Wilde Weiden?
    Frau Ostermann: Sie steht für Tierwohl! Sie steht für Tierhaltung in überwiegender Freilandlandhaltung, sie steht für Regionalität und sie steht dafür, dass die Tiere keine Endmast erhalten.

    Was kostet die Markennutzung „Wilde Weiden“?
    Frau Ostermann: Pro vermakrtetes Tier zahlt der Metzger dem LEV Ortenaukreis als Lizenzinhaber 50 €. Es besteht ein Vertrag mit der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, dem Markeninhaber. Diese bekommt die Hälfte der Einnahmen. Über weitere Projekte wollen wir die Marke weiter ausbauen.

    Wieso ist der Markeninhaber ausgerechnet die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein?
    Frau Ostermann: Wir als LEV wollten die Marke beim Patentamt eintragen lassen und mussten feststellen, dass die Stiftung diesen Markennamen bereits eintragen ließ. Sie haben nur die Marke nicht genutzt. Wir sind jetzt die Ersten die sie nutzen.

    Wie schätzen Sie die Voraussetzung für die Vermarktung ein?
    Frau Ostermann: Wir haben zuerst versucht vor Ort mit dem lokalen Metzger in die Vermarktung einzusteigen. Der hatte aber nicht die passende Infrastruktur für die Schlachtung und musste sie woanders hinbringen. Das hat leider Transportwege verursacht, was den Tieren zusätzlicher Stress bedeutete. Damit waren wir alle nicht glücklich. Wir sind umgeschwenkt auf einen Metzger, der mehr Möglichkeiten hat und vermarkten jetzt über Ihn. Wir würden gerne den Weideschuss durchführen, haben aber leider keine Genehmigung bislang dafür bekommen. Jetzt haben wir zwei Schlachttermine im Jahr an denen wir die Tiere so stressfrei wie nur möglich zur Schlachtung bringen.

    Wird das Pferdefleisch auch vermarktet?
    Herr Paleit: Nein, das wird es nicht! Das haben wir auch nicht vor. Vier von den sieben Pferden gehen im Sommer vier in den Nationalpark Nord-Schwarzwald und pflegen dort die Heideflächen. Die Winterweide ist dann immer im Rheintal bei uns.

    Wurde schon an eine Beweidung mit Wasserbüffeln gedacht?
    Herr Paleit: Wir sind direkt an der französischen Grenze gelegen und so ergab sich durch ein gutes Angebot Salers-Rinder zu erwerben. Aus der Lippeaue haben wir noch Pferde (Koniks) bekommen. Natürlich könnte man auch mit Wasserbüffeln arbeiten, sehen aber derzeit kein Experimentierbedarf. Es funktioniert super mit den Salers und Koniks.

    Wird im Winter zugefüttert?
    Herr Paleit: Ja, durchaus. Auf ca. 10 ha Fläche wird einmal im Jahr eine Mahd durchgeführt und Heu gemacht, welches im Winter in eine Raufe abgelegt wird. Das wurde auch vom Veterinäramt so verlangt, um eine Heuaufnahme im Winter zu gewährleisten.

    Von der Lippeaue lernen: Weidezaun am Fluss 

    Referent: Matthias Scharf von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. (ABU Soest) 

    Wir haben die im Seminar gestellten Fragen und Herrn Scharfs Antworten darauf hier zum Nachlesen zusammengestellt:

    Fragen und Antworten

    Herr Scharf, Ihrer Erfahrung nach sind selten Tiere über die Lippe gegangen. Wurden an manchen Stellen Böschungsgestaltungen durchgeführt, wie ein steileres Ufer, damit die Tiere an diesen Stellen nicht rüber können? 

    Antwort: Nein. Nirgendwo. In den meisten Bereichen gibt es ein flaches Gleitufer und ein steileres Prallufer, aber, ob das die Rinder davon abhält durch zu gehen, ist nicht zu beantworten. Es gibt nur wenige flache Bereiche, wo die Tiere durchgehen könnten, aber die meisten Bereiche sind 2-3 m tief und werden auch matschig. Da müssten die Tiere schwimmen und matschige Bereiche ohne festen Untergrund meiden die Tiere, aufgrund der Gefährlichkeit.

    Gibt es Unterschiede im Verhalten zwischen den Tierarten und den Rinderrassen (wie z.B. Wasserbüffel) in Bezug auf Frage 1.

    Keine Erfahrung mit Wasserbüffeln, aber nach meinem Kenntnisstand wäre es für diese Rasse natürlich kein Hindernis und kein Problem, die Lippe zu durchqueren. Ein Pferd ist einmal über die Lippe geschwommen in all den 30 Jahren, aber keiner weiß, warum es dies tat.

    Wann gilt aus rechtlicher Sicht ein Fluss als sichere Weideabgrenzung? Klare Definition oder Grauzone?  

    Habe niemanden gefragt und denke, dass es eine Grauzone ist. Verweis auf die Broschüre: „Sichere Weidezäune“ von AID. Da steht aber nichts zum Fluss an sich als sichere Weideabgrenzung drin. Nicht zu beantworten, nur aus Erfahrung ist zu sagen, dass in 30 Jahren lediglich 3 Sonderfälle (bei 110 Tieren) aufgetreten sind.

    Ergänzung: Normalerweise müssen Gewässer abgezäunt werden, zu Anfang viel Überredung und Ergebnisse aus den Elektro-Befischungen notwendig, um die Behörden zu überzeugen, dass kein Zaun an der Lippe (1. Ordnung) gewollt ist. Zäune werden angeordnet aus „Wasserverschmutzungsgründen“.

    Benutzen Sie Stacheldraht auch bei den Pferden?  

    Heikles Thema: Pferde und Stacheldraht, da Pferde Fluchttiere sind. Für Rinder ist das allgemein akzeptiert. Für Pferde kann es vom Veterinäramt verboten werden. An der Lippe kann aus Erfahrung gesprochen werden, dass Pferde noch nie versucht haben auszubrechen, im Gegensatz zu den Rindern (kleine Kratzer davongetragen). Und Pferde haben sich in den 30 Jahren noch nie am Stacheldraht verletzt.  Stacheldraht führt zu weniger Arbeit in der Aue nach z.B. einem Hochwasser. Stand ein Elektrozaun eine Woche unter Wasser, sind alle Isolatoren hin. 

    Haben Sie auch Zäune quer über ein Fließgewässer geführt?  

    Das sollte man nicht machen. Wasservögel folgen dem Fluss und können hängen bleiben.

    Welche Flächengröße haben die einzelnen Flächen (min – max)? Wie hoch sind die Besatzdichten auf den einzelnen Weideflächen? 

    Besatzdichte von etwa einer Großvieheinheit auf 3 Hektar. Insgesamt ist die Fläche (mit Übungsplatz) 350 Hektar groß. Allerdings mit Wald dabei, was anders gezählt werden muss, vor allem, wenn es keine Futterflächen sind. Kleinere Bereiche werden zudem intensiver beweidet und eine kleine, verbuschte Fläche, mit dem Hauptziel des Schutzes von Wiesenvogel-Arten.

    Wie wird bezüglich Klauenpflege und Parasitenmanagement umgegangen? 

    Durch vorhandene Sand- und Lehmböden ist keine Klauen-/Hufpflege notwendig. Weder bei Pferd noch Rind. Die Tiere sind das ganze Jahr über draußen.

    Gegen Parasiten behandelte Tiere tragen weniger zur Insektenvielfalt bei, durch sterilen Kot. Recht große Fläche und geringe Beweidungsdichte an der Lippe verteilen den Parasitendruck. Schlachtvieh wird gründlich auf Parasiten untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass es sich sehr im Rahmen hält und kein Problem ist. Parasiten wirken sich lediglich auf das Wachstum aus und ergeben weniger Fleischertrag.

    Wie kann ich Rinder und Pferde dazu animieren, ein Gewässer zu queren, wenn dieses mitten durch die Fläche läuft? 

    Training mit leckerem Futter auf der gewünschten Seite vom Fluss. Irgendwann gewöhnen die Tiere sich das an. Aber: der Boden muss fest sein! Matschiger Boden führt zum Scheuen der Tiere.

    Wir planen ein Beweidungsprojekt an der Ahrmündung mit Wasserbüffeln und wollen eine neue Zäunung verwenden, die sich Virtual Fencing nennt und das Problem Hütesicherheit und schwankender Wasserstand/Hochwasser lösen kann. Frage an die Runde, ob es bereits Erfahrungen hierzu gibt? 

    Virtual Fencing muss als Tierversuch angemeldet werden. Derzeit gibt es ein Pilotprojekt der Uni Göttingen zu Virtual Fencing.

    Reagieren die Tiere bei steiniger Gewässersohle ähnlich wie bei schlammigem Untergrund, wenn viel und größeres Geschiebe im Fluss ist? 

    Die Tiere suchen sich im Laufe der Zeit die Bereiche zur Querung der kleinen Bäche aus, wo der Untergrund fest ist und sicheren Tritt verspricht. Andere Bereiche, die zu unsicher erscheinen, werden nicht durchquert.

    Wie kann ich Rinder und Pferde animieren, an bestimmten Uferbereichen zu trinken? 

    Beliebte Trinkplätze sind die Flachbereiche mit den Sandstränden an der Lippe. Dort ruhen sie sich gerade im Sommer auch gern länger aus und kühlen sich im Wasser ab oder gehen in den Wald rein, da dort weniger Insekten sind und mehr Wind ist.

    Wir haben eine Beweidung im Auwald geplant. Wie haben sich bei Ihnen die Waldbereiche entwickelt? 

    Ist unterschiedlich. Es gibt Waldbereiche, die aus Hybrid-Pappeln (40-50 Jahre alt) bestehen und die jetzt durch Stürme, Gewitter oder durch die Tiere langsam zusammenbrechen. An deren Stelle treten dann die Erlen durch Samenanflug und Ausläufer. Die Erlen breiten sich mittlerweile zusammen mit Gebüschen und Eschen aus.

    Sind an der Lippe noch Deiche erhalten und wenn ja, was gab es seitens der Wasserbehörde zu beachten? 

    Die Fläche an der Lippe war ursprünglich durch kleine Sommerdeiche gegen die Lippe angegrenzt, welche mittlerweile durch die Renaturierung fast komplett verschwunden sind (zumindest auf einer Seite). Ansonsten an der Beweidungsfläche durch eine Hochterrasse begrenzt, auf die sich die Tiere auch bei Hochwasser mal zurückziehen können.

    Gibt es Erfahrungen mit Auswirkungen auf Bodenbrüter (bei uns Flussregenpfeifer im Plangebiet)? 

    Bei uns brüten Flussregenpfeifer immer auf Sandbänken, wo die Rinder selten hingehen. Sie werden dann meist durch rastende Kanufahrer gestört, so dass die Brut aufgegeben wird. 

    Wie intensiv ist an der Lippe und an den dortigen Nebengewässern die Gewässerunterhaltung oder anders gefragt: In welchem Maße wird Totholz entnommen bzw. kann dort akkumulieren? 

    Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Pappeln aus den Wäldern entnommen, mit großen Baggern, und in die Lippe eingebracht, da die Lippe sonst immer totholzfrei war. Die Pappeln wurden aber mit Stahlseilen an Betonklötzen festgemacht, damit sie nicht abgetrieben werden können und vor dem nächsten Wehr landen. Ansonsten fällt gelegentlich mal Totholz rein und die Lippe wird nicht mehr unterhalten. Ist auch nicht nötig, das jetzige Abflussprofil inklusive Aue ist so groß, dass es ausreichend Puffer gibt.